Fußball-Oberliga: SC Westfalia Herne – Holzwickeder SC 2 : 2 ( 0 : 1). Chancen für ein 10 : 2 für Holzwickede, der Ausgleich für Herne in der Nachspielzeit ausgerechnet durch den Ex-HSCer Kaniwar Uzun in der 95. Minute (!), zwei Trainer, die sich bei der Bewertung des Spiels mal komplett einig waren und am Ende tief enttäuschte HSC-Spieler, bei denen so mancher mit den Tränen zu kämpfen hatte: Das Oberliga-Spiel zwischen Herne und Holzwickede war Drama pur und zeigte, wie schön und gleichzeitig Ergebnis-brutal Fußball sein kann. Für die 350 Zuschauer im altehrwürdigen Stadion „Schloss Strünkede“ jedenfalls bot die Begegnung großen Unterhaltungs- und vor allem emotionalen Wert.
Es ging gleich in der 1. Minute mit dem Kuriositätenkabinett los. Völlig freistehend vor dem eigenen Keeper überraschte HSC-Außenverteidiger und Neuzugang Lennart Uedickoven mit einem Rückpass seinen Keeper Muhamed Acil, der, völlig überrascht, gleich mal das Leder mit den Händen festhielt. Dass es die Rückpassregelung seit exakt 1992 gibt und von der FIFA festgeschrieben wurde und sie damit älter als beide Kicker ist – geschenkt. Maurice Haar nahm das Geschenk des HSC nicht an und donnerte das Leder in die Wolken. Für den HSC war dieser Freistoß-Hammer ins Niemandsland ein echter Wachmacher, Fortan übernahm von Minute zu Minute Holzwickede das Zepter. Bei Temperaturen von 30 Grad beschloss das Herner Team kollektiv, fortan auf dem Feld eher ein Sonnenbad zu nehmen als sich ernsthaft um einen geordneten Spielaufbau zu kümmern. Hernes Trainer Christian Knappmann hielt es nicht mehr auf seinem schicken, grauen Ledersessel (!) am Spielfeldrand. Während seine Spieler eher von der Sonneneinstrahlung einen rötlichen Sommerteint oder Sonnenbrand bekamen, wurde sein markanter Kopf röter und röter – allerdings vor Wut. Die Zornesröte war berechtigt, denn Nico Berghorst (10.) zielte knapp über den Kasten. Erst Nls Hoppe und im Nachschuss wieder Nico Berghorst scheiterten am überragenden Torhüter Ricardo Seifer (18.). Dann fanden wieder Nils Hoppe (22.) und Mirco Gohr (23.) ihren Meister am gegnerischen Zerberus. Herne war weiter beim kollektiven Sonnenbaden und frönte dem Hinterherlaufen oder -gehen. Folgerichtig die überfällige Führung für den Gast: Einen Freistoß aus unmöglichem Winkel nur zwei Meter von der linken Eckfahne entfernt, schoss Tomislav Ivancic in die Maschen (26.). In der 34. Minute wurde Nils Hoppe per Freistoß mit großzügiger Nichtbeteiligung der Herner angespielt, doch der verpasste das 0 : 2. Die dickste Chance zum Ausbau der Führung „verbaselte“ Nico Beghorst. Der spielte wunderschön Ricardo Seifert aus, traf aber aus recht spitzem Winkel nur den Pfosten des Herner Kastens (36.). Es ging mit einem für Westfalia Herne mehr als schmeichelhaften 0 : 1 in die Halbzeit. Viel zu wenig aus Sicht des HSC.
Dass es lauter in der Kabine der Herner in der Halbzeit zuging – das kann man sich denken. Und das Donnerwetter zeigte sofortige Wirkung. Angesagt waren lange Pässe nach vorne und Gewinn der zweiten Bälle – das typische und bekannte Herner-Spiel. Die Holzwickeder waren noch nicht richtig auf dem Platz, da spazierte Hernes Torjäger Michael Smyczak durch die noch ungeordnete Holzwickeder Defensive und ließ erst den staunenden Nils Hoppe und dann Torhüter Muhamed Acil keine Chance (1 : 1, 46.). Das Tor aus dem Nichts zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt ließ erst mal Schlimmes befürchten. Doch der HSC war am Sonntag hellwach und zeigte Moral. Mirco Gohr schnappte sich das Leder, drang in den Strafraum ein und konnte durch Maurice Haar nur unfair gestoppt werden – Elfmeter, da gab es keine zwei Meinungen. Nico Berghorst zeigte keine Nerven und verlud Ricardo Seifert – 2 : 1 für den HSC (48.).
Was folgte, waren Torchancen für den HSC zur möglichen Entscheidung fast im Minutentakt. Nur die Besten an dieser Stelle. Sebastian Hahne (75.) und Mirco Gohr (76.) scheitern an Ricardo Seifert. Hahne hast auch in der 89. Minute kein Glück. Und dann das dickste Ding des Spiels: Keeper Ricardo Seifert war weit aufgerückt, der eingewechselte Niklas Nölle rennt allein auf das leere Tor zu, doch in letzter Sekunde wirft sich ein Herner wagemutig dazwischen. Das hätte es sein müssen. Es hätte längst die Entscheidung sein können – doch Fußball ist eben „spezial“.
Der Aussetzer des Moritz Müller – Kaniwar Uzun konnte nicht mehr danebenschießen
Herne versuchte nach der Nölle-Chance noch einmal alles. Es war die 95. Minute und wirklich die allerletzten Sekunden des Matches. Zwar waren alle Spieler platt, doch irgendwie landete ein weiter Verzweiflungspass der Ruhrpöttler vorne. Moritz Müller, völlig unbedrängt, köpfte ausgerechnet auf den Ex-Holzwickeder und der schoss sofort. Muhamed Acil konnte den Ball nur noch aus dem Netz holen. Riesenjubel bei Herne – und unendliche Trauer bei den Holzwickedern.
Ein Remis wie eine Niederlage
Einen Punktgewinn gegen einen der Meisterschafts-Favoriten hätten die Holzwickeder wahrscheinlich angesichts der Verletztenliste vor dem Spiel gerne unterschrieben. Doch der Ausgleich war wie ein Stich ins Herz und ist für das Selbstvertrauen für die kommenden Heimaufgaben gegen Paderborn II (1. September) und Preußen Münster II (8. September) kaum förderlich. Es war so oft wie in den letzten Monaten: Am Ende fehlt etwas. Und hier konkret zwei Punkte – ein Dreier wäre wichtig gewesen. So steht am Ende nur Platz 14 in der Tabelle zu Buche.
Dienstag Test gegen Dröschede
Am Dienstag werden Spieler, die gegen Herne nicht gespielt haben, einen Test beim Landesligisten Borussia Dröschede absolvieren. Anpfiff ist um 19.30 Uhr in Dröschede.
Marcel Reichwein und Justin Pfaff hoffen auf baldige Genesung
„So eine Schulterverletzung hatte ich noch nicht. Der Druckscherz ist total unangenehm.“ HSC-Neuzugang Marcel Reichwein kam mit dicker Bandage zum Spiel. „Die endgültige Diagnose steht noch aus. Aber die nächsten beiden Spiele werde ich verpassen“, so Reichwein. Bei Justin Pfaff (Ferse) sieht es etwas besser aus. „Wenn ich total schmerzfrei bin, geht es weiter“, so Pfaff. Gegen Paderborn II wird es wohl noch nichts – Münster wäre eine Option.
Kevin Beinsen drückte die Daumen
Vor Ort in Herne drückte Ex-HSC-Keeper Kevin Beinsen die Daumen. Er selber hält sich derzeit bei einem Kreisligisten im Training fit. „Aber nur im Feld“, so Beinsen. Feldspieler brauchen die Holzwickeder ja irgendwie. Und in der Jugend hatte Beinsen ja auch mal im Feld gespielt. Und weiterhin unvergessen sind seine Tore vor drei Jahren im Kreispokal in Nördbögge. „Nein, lasst mal. Der HSC schafft das auch erst mal ohne mich“, so Kevin Beinsen.
Trainerstimmen:
Axel Schmeing (HSC): So eine Chancen-Überlegenheit für uns habe ich in der Oberliga noch nie erlebt. 10 : 2 hätte es ausgehen müssen. Wir haben Herne an die Wand genagelt. Und das ist beileibe keine Übertreibung. Das war ein sehr gutes Spiel von uns, das Beste in der laufenden Spielzeit. Schon zur Halbzeit hätten wir 3 : 0 oder 4 : 0 führen müssen. Moritz Müller und Lennart Uedickoven haben als Außenverteidiger ihre Sache gut gemacht. Schlimmer als der Fehler von Moritz Müller zum bösen Schluss war für mich, dass wir die dutzend Hundertprozentigen nicht gemacht haben.
Christian Knappmann (Herne): Wir hätten uns über ein 2 : 6 nicht beschweren können. Oder noch höher. Es war, besonders in den ersten 25 Minuten, wenig Leben in unserem Spiel. Unser Torhüter Ricardo Seifert hat uns im Spiel gehalten. Seine Paraden waren fast schon unmenschlich. Zufrieden kann ich mit unserem heutigen Spiel beileibe nicht sein.
Westfalia Herne:Ricardo Seiffert, Maurice Temme, Maurice René Haar, Kerem Sengün (40. Darius Stawski, 63. Kaniwar Uzun)), Bilal Abdallah, Nazzareno Ciccarelli (46. Nicolai Pakowski), Nico Pulver, Philipp Rößler, Felix Fuchs, Enes Oguz Timur Schick (83. Xavery Lampka), Michael Smykacz
HSC: Muhamed Acil, Moritz Müller, Tomislav Ivancic (82. Jona Deifuß), René Richter (77. Robin Rosowski) Sebastian Hahne (90. Niklas Nölle), Nils Hoppe, Jonas Janetzki, Aldin Kljajic, Mirco Gohr, Nico Berghorst (90. Kaan Akcay), Lennart Uedickoven
Tore: 0 : 1 Ivancic (26.), 1 : 1 Smykacz (46.), 1 : 2 Berghorst (FE, 48.), 2 : 2 Uzun (90.+5)
Schiedsrchter: Stefan Tendyck (VfB Kirchhellen)
Bestnoten HSC: Nico Berghorst, Sebastian Hahne, Tomislav Ivancic.
Bild: Holzwickedes Nils Hoppe im Zweikampf mit einem Herner Gegenspieler.-